Die Herrnmühle in Gerstungen

In Gerstungen existierte seit 1525 die sogenannte Herrnmühle. Anfang des 18. Jahrhunderts kam sie in den Besitz meiner Vorfahren. Im November 1701 kaufte der Dorfmüller von Herda, Stephan Stein (1642-1709), diese Mühle. Er war mein 8xUrgroßvater.

Ein Exemplar des von ihm unterschriebenen Kaufvertrags fand ich im Hauptstaatsarchiv in Weimar. Den Betrieb führte jedoch Stephans Sohn Johannes (1672-1725), der die Mühle schließlich im Jahr 1708 von seinem Vater übernahm. Sie war insgesamt über 180 Jahre im Besitz der Familie Stein.

Eine Zeichnung der Herrnmühle in Gerstungen aus dem Jahr 1700.
Gerstunger Herrnmühle im Jahr 17001Aus: Gerstunger Amts Beschreibung Auf ergangenen Fürstl. gn: Befehl. gefertigt a[nn]o: 1700. Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. A Cap. I. No.22b

Um 1700 verfaßte der Gerstunger Amtmann Daniel Götzel eine Beschreibung des Ortes und ließ dazu Abbildungen einzelner Bauwerke anfertigen. Dank dieser Bestandsaufnahme haben wir heute ein Bild der Herrnmühle aus der Zeit, als Johannes Stein sie übernahm. Außerdem ist die technische Ausstattung der Mühle bekannt: Die „Werr-Mühlen zu Gerstungen“ hatte „4 Mahlgang, 1 Walchgang, 1 Schlaggang“. Außerdem gehörte zu der Anlage die „abgegangene Bachmühle, […] welche von dem hinterm Dorff hergefloßenen Bach und meistens wilden Waßer getrieben worden, es ist aber alß nichts taug- oder einträglich vor langen Jahren abgegangen, und werden die Gebäude zur Beylegung der Fütterung gebraucht“.

Über einen Steg erreichbar war die Wogmühle auf einer Werra-Insel. Diese Insel, das so genannte Wehrt, bestand laut Götzels Amtsbeschreibung „nach der Aufmeßung mit der 14-schuhigen Ruthen in 5 1/4 Acker 17 Ruthen Wiesenwachs, mit den darauf stehenden wenigen Kirschbäumen und hat sandigen Boden, auff welchem sonst keine Obstbäume fort zubringen“.

Eine Postkarte zeigt das Forsthaus in Gerstungen mit der Herrnmühle daneben um 1890.
Gerstunger Herrnmühle um 1890

Sechs Generationen Stein-Müller führten die Mühle an der Werra. Sie genossen dabei nicht immer den besten Ruf, gaben sich herrisch gegenüber Bauern aus den umliegenden Dörfern. Die Bauern waren verpflichtet, ihr Korn in der Gerstunger Herrnmühle mahlen zu lassen und mußten darauf laut eines Beschwerdeschreibens auch mal bis spät in die Nacht warten. 

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte es der damalige Mühlbesitzer Georg Christoph Stein zu 55 Acker (ca. 35 Hektar) Grundbesitz gebracht. Der war jedoch in viele kleine Parzellen aufgeteilt. Deshalb beantragte der Müller Stein am 22. Juli 1864 eine Bodenreform, in deren Verlauf das Land vermessen und die vielen verstreuten Parzellen neu geordnet und zusammengefasst wurden.

Ein Foto der Herrnmühle in Gerstungen um 1920.
Gerstunger Herrnmühle um 1920

1886 endete die Zeit der Steinschen Herrnmüller in Gerstungen auf dramatische Weise – mit einem Mord. Viele Nachfahren des letzten Müllers Stein leben heute in den USA.

Das Herrnmühlen-Gebäude existiert noch heute. Der Werra-Arm, der über Jahrhunderte die Werra-Insel vom Dorf trennte, übers Wehr rauschte und die Mühlräder antrieb, ist heute nur noch ein unscheinbares Rinnsal. Die Reste des Wehrs sind noch in der Wiese südlich des Mühl-Gebäudes zu erkennen. Auf der Werra-Insel steht heute eine Möbelfabrik.


2 Kommentare

  1. I am thrilled to have found these pages. I am doing Stein research for a friend whose ancestor is Johannes Stein from Gerstungen .

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