Die Obermühle in Oberellen ist eng verbunden mit den ältesten bekannten Personen der Müller-Dynastie Stein: sowohl Curt Stein senior (~1572-1637) als auch sein Sohn Curt Stein junior (1609-1682) hatten die Mühle Anfang des 17. Jahrhunderts gepachtet. Nähere Informationen über die Obermühle zu jener Zeit fanden sich bislang nicht, doch ein etwas jüngeres Dokument gibt einen kleinen historischen Einblick.
Im Jahr 1719 heirateten in Oberellen Johann Kirchner aus Farnroda und Margaretha Elisabeth Bader.1Kirchenbuch Oberellen 1579-1623, Landeskirchenarchiv Eisenach (LKAE), KBF, K 1/21-3, S. 284 Der Bräutigam ist von Beruf nicht nur Orgelbauer, wie aus dem Heiratseintrag hervorgeht, sondern pachtet im Februar 1732 auch die Obermühle in Oberellen. Der Pachtvertrag findet sich in Akten2Verpachtung der zum Freiherrlich von Hanstein’schen Rittergut Oberellen (Rothenbachsche Linie) gehörigen Obermühle an den Einwohner Johann Wilhelm Schön aus Oberellen, Landesarchiv Sachsen-Anhalt, E 75 C IV Nr. 41, Bl.12-13. im Landesarchiv Sachsen-Anhalt in Wernigerode und ist die bislang älteste bekannte Beschreibung der Obermühle.
Wie dem Vertrag von 1732 zu entnehmen ist, gehörte die Mühle zum Lehn- und Rittergut der Familie von Hanstein. Als Verpächter werden Liborius Friedrich von Hanstein und Johann Volbrecht von Hanstein genannt. Der Vertrag mit dem „Ehrenhaften wohlgeachten und Kunsterfahrnen Herrn Johann Kirchnern, hiesigen unterthanen und Orgelmachers“ wird demnach für sechs Jahr geschlossen. Zu zahlen hat der Pächter jährlich zwei Reichsthaler, außerdem 20 Malter Korn, drei Malter Gerste, acht Metzen Hafer, acht Malter Kleie, drei Hühner, drei Hähne, drei Schock Eier und drei Gänse. Dafür wird ihm die „Mahlmühle sambt allem zubehör“ zur Nutzung übertragen.
In einer Inventarliste wird die damalige Ausstattung der Mühle beschrieben: so gab es eine Stube mit einem Kachelofen und zwei Fenstern, außerdem eine Küche mit Kesselmauer, Herd und Backofen, aus der eine Tür zur Mühlkammer führte. In der Mühle befand sich ein Mahlgerüst3Holzgerüst, welches das Mühlsteingetriebe umgibt; vgl. „Mahlgerüste, n.“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=M00382>, abgerufen am 03.03.2025., auf das eine Stiege führte. Dokumentiert sind auch ein Mühlkasten und ein Kleienkasten sowie das Kammrad4Rad mit Zapfen oder Zähnen, das in ein anderes Rad greift; vgl. „Kammrad“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K01159>, abgerufen am 03.03.2025.. Außen am Gebäude befand sich ein Wasserrad, das vom ebenfalls erwähnten Mühlgewässer angetrieben wurde. Dafür staute ein Wehr das Wasser der Elte an, das dann durch den Mühlgraben zur Mühle geleitet wurde. Zur Obermühle gehörten darüber hinaus ein Pferdestall und ein Kuhstall, jeweils mit einer Krippe, und ein dreigeteilter Schweinekoben mit drei Trögen. Umgeben war die Mühlanlage von einem Garten, den ein Zaun begrenzte, während eine ebenfalls zur Mühle gehörige Wiese nicht umzäunt war.
Im Vertrag wurde festgelegt, dass der Pächter eine Reihe von Reparaturarbeiten, die mit dem Handbeil zu erledigen sind, auf eigene Kosten auszuführen hat. Wenn aber mit Zimmermannsaxt und Hobel gearbeitet werden musste, sollten die Verpächter den Müller dafür entlohnen und auch das nötige Bauholz oder Reisig für Arbeiten am Wehr zur Verfügung stellen.
Das Gebäude der Obermühle existiert noch heute in Oberellen in der ehemaligen Mühlgasse, die inzwischen Eltestraße heißt. Der Komplex besteht aus einem Haupthaus und zwei später angebauten Erweiterungsgebäuden. Von dem ehemaligen Mühlrad, das sich auf der Südseite des Gebäudes befand, ist heute nichts mehr erhalten. Auch von dem Mühlgraben, der das angestaute Wasser der Elte zur Mühle leitete, ist nichts mehr auszumachen. Auf einer Karte von Oberellen aus dem Jahr 1868 ist die Zuleitung noch eingezeichnet.

Im Folgenden ist der Pachtvertrag im Wortlaut wiedergegeben.
Pacht=Contract der
Obermühle.
Kund und Zu Wissen sey hier mit Jedermänigl: daß heut
unter gesetztem Dato zwischen denen Hochwohlgebohrnen Herren
als Herr Johann Volbrecht von Hanstein, Erblehn- und Gerichts-
Herr auf Oberella und Hänfstädt Wie auch Herr Liborius
Friedrich von Hanstein, Erblehn- und Gerichts=Herr auf Oberella,
Rothenbach, Besenhausen, Friedland, Kummeroda und
Wiesenfeld, an einem, so dann dem Ehrenhaften wohlgeachten
und Kunsterfahrnen Herrn Johann Kirchnern, hiesigen unterthanen
und Orgelmachers, am andern theil ein aufrichtiger Pacht=Contract
folgender maßen verabredet und geschloßen worden. Als nehmlich:
1. Es verpachten erst wohlgedachte Herrn von Hanstein Ihre allhier in
OberEllen gelegene zu dasigem Ihrem Lehn= und Ritter Guth ge=
hörrige Mahlmühle sambt allem zubehör, wie solche die vorrige
Pachter innengehabt, nichts davon außbeschieden, erweldem
Herrn Kirchnern auf Sechs Jahrlang, als von Viti Tag dieses
laufenden 1732 ten Jahres biß wieder zu Viti des 1738 ten Jahres,
also und dere gestalten, daß dieser derselben seinem besten Vermögen
nach, jedoch pfleglich, und wie gute Haußleüthe zu thuen gewohnet,
sieh zu nuzen und zu gebrauchen guten fug und macht haben solle;
gegen so thanen Genuß der Obermühle aber verspricht:
2. der Conductor5Pächter, vgl. Locatio conductio H. Kirchner denen Herrn Locatorens6Verpächter Zu
zu einem Jährl. Pacht=Canonè7jährliche Abgabe eines Pächters, vgl. Deutsches Rechtswörterbuch alle Jahr besonders zwey Rthlr.
An Geldt, zwantzig Mltr. Korn, drey Mltr. Gersten, Acht
Mazen Hafer, Acht Mltr. Kleyen, jedes Költisches Gemääß, wie
auch drey Hühner, drey Hahnen, Drey Schock Eyer und Drey Gänse,
ohnweigerlich zu entrichten und bezahlen, auch deran bey Verlust des
Pachtes, da die Herrn Locatores wollen, keinen Mangel er=
scheinen oder etwas aufwachsen zu laßen, nicht weniger
die gebäude in gutem baulichen wesen und Stande, und zwar
waß geringe posten, als reparation der einzeln gefache8Öffnungen im Fachwerk, vgl. „Gefach, n.“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=G03691>, abgerufen am 03.03.2025. und
einziehung der Ziegeln belanget, auf seine Kosten zu erhalten,
daß Mühlwerk selbsten aber nicht nur zu Conserviren, sondern
vornehmlich wie es deßen beßer seyn erfordert, ein zurichten, und
hier bey alles waß mit dem Hand=Beil, an Beüthel, Räder, Kammern,
Getrieb, Keil und dergleichen zumachen ist, und gemachet werden
kann, ohne denen Herren VerPachtern da vor an Baukosten, und
Arbeits Lohn, etwaß abzufordern, zu zurechnen und zu kürzen,
umbsonst zu hantiren, und zu bearbeithen, auch über obige Pacht=
praestunda in die Haußhaltung derrer Herren Locatorem
daß Malz frey zuschroten /: doch daß Ihme jedes mahl davor
eine Kanne frischbier oder Järben9Järe, vgl. „Gäre, f.“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=G01127>, abgerufen am 03.03.2025. gereichet werde :/ und an bey
einem Jeden dererselben einhalb Mltr. Gersten zuründeln [?].
3. Es wollen aber die Herren Verpachter zu dem Bau und mühl=
werck, besonders was zu Kammern und Keülen an Büchen10Buchen und
Häum Büchen die Noth durft erfordert, dem Pachter die Materi=
alia ohngesäumbt verabfolgen laßen, vor die Verferdigung oder
reparation eines principal und Hauptstückes aber, woran mit der
Zimmer Axt, Hobel und Schneiden gestellet werden muß, auch
darreichung derrer materialien und darunter mit Verstandenen
Reisig zum Wehrbau, die Arbeith billig mäßig vergüthen
und verlohnen, auch über daß demselben, auf den fall die Pacht=
Jahre zu Ende gehen solten und ein oder dem andern theil länger
bey diesem Contract zustehen nicht gefällig sein solte, so soll die
Auffkündigung ein halbes Jahr vorher geschehen, und bey dem Abzug
der Conductor schultig seyn, die wieder Liefferung des Inventarii,
wie solches beym Anzug funden worden, so aber nach endigung de
vorgemelden Pacht=Jahre die Mühe solte ferner Verpachtet werden,
so soll H. Conductor des halb daß Vorrecht für einem Andern zu=
gesaget und versprochen sein.
so dann laßen
4. Wegen der Unglücksfälle, auch feuers brunst, laßen es beyde
theile auf die Disposition der gemeinen rechte ankommen,
5. Und damit die Herren Locatores deßen allen umb so mehr gesichert
seyn mögen, so verschreibet H. Conductor Ihnen zur Sicherheit sein hiesi=
ges Vermögen es mag solches nahmen haben wie es wolle, um sich be=
nötighen falß darann habend zuerholen und zu halten.
6. Und wie nun beyderseiths Contrahentes auf diesen Contract ge=
halten wißen, und dargegen wederselbsten thun noch daß dieses
durch andere geschehe, gestatten wollen, also begeben Sie sich auch
wißendlich und wohl bedächtl. aller und jeder Außflichte ins
besondere aber des Betrugs, listiger überredung, der furcht,
und alß obmann der Sache nicht genugsam kundig oder Ver=
ständiget gewesen, oder auch die selbe anderst abgehandelt
als zu Klagge bracht worden. mit außdrücklicher begebung
des rechts, so da will, daß ein gemeiner Verzicht nicht gelde,
wann nicht ein besondrer vorher gehe. Alles treulich und
sonder gefährde
Deßen zu wahrer Uhrkundt haben die Contrahentes
diesen in Duplo ausgefertigten Pacht=Condract eugenhändig
unterschrieben und besiegelt, und ist einem Jeden theil ein
gleich lautendes Exemplar zugestellet worden. sogeschehen
OberElla d. 22 ten Febr. 1732
Inventarium der Obermühle
1. in der Stuben
Die Stubenthür ist zimlich11mittelmäßig; vgl. „ziemlich, adj. und adv.“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=Z05976>, abgerufen am 03.03.2025.,
1 Kachel Offen mit einer döhnen Röhre
und ohne Blasen
2 Fenster sind zimlich
2. in der Küche
1 Alte Keßel Mauer
1 hert ist guth
1 Back=Offen zimlich
1 thür vor der MühlCammer
3. Auf dem Boden
1 Alte Böse Stiege nach dem Boden,
der Boden ist durchgängig Böse,
1 Alte Thür
NB: auf den Dachstühlen sind keine
Balcken funden worden
4. Im Ehen [?]
1 Alte Hauß thür
1 Böse Stiegen nach der Stuben,
1 Alte Böse thür vorm Keller
1 Eine thür vorm Pferdtstall ist zimlich,
5. Im Pferdt=Stall
1 Alte Krippe
6. In der Mühle
1 Alte Böse thür vor der Mühle,
1 Alte Stiege auf daß Mühlgerüst12Holzgerüst, welches das Mühlsteingetriebe umgibt; vgl. „Mahlgerüste, n.“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=M00382>, abgerufen am 03.03.2025.,
daß Mühlgerüst ist zimlich,
der Kampf13Kammrad; siehe „Kammrad“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K01159>, abgerufen am 03.03.2025. ist zimlich
1 Alte Zarge
der Mühl kasten ist zimlich,
1 Alter kleyen kasten
der Boden Stein ist guth,
der Läuffer ist zimlich
daß KampeRath14Rad mit Zapfen oder Zähnen, das in ein anderes Rad greift; vgl. „Kammrad“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K01159>, abgerufen am 03.03.2025. ist guth,
1 Alt waßer Rath
daß Mühlgewäszer ist ziemlich,
1 Alter böser Banck in der Mühle
7. ferner
Ein Schwein Koben mit 3 theilen
3 böse Leder,
3 tröge sind zimlich
8. Im Kuh=Stall
1 Krippen ist zimlich,
Nota:
um den Garten ist ein Zaun funden worden
um die wiesen kein Zaun,
auf dem Kerth=Theil [?] welches bey die Mühle
gehöret hat H. Kürchner als der Neue Pächter
daß alte graß bekommen.
Obiges Inventarium ist H. Kirchnern übergeben worden
in bey seyn des Verwalter Jägers Rothenbachischer Seite, wie auch
des Hauß Voigts Joh. David Baders von Hänfstättischer Seiten, und
deß gesambt Gerichts=Schultheißen Conrad Happen [?], geschehen Ober=
Ella d. 16. ten Juny 1732
G Jäger p.t. Verwalter
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