Die Kuh aus den USA

Diese Geschichte stammt aus meiner jüngeren Familienhistorie und spielt im Bremen der 1950er Jahre. Meine Großeltern Gustav und Helene Bubritzki hatten aus Ostpreußen fliehen müssen und lebten ab 1945 im Norden der Hansestadt. Was ich nur durch Zufall entdeckte: Ein paar Jahre später bekamen sie eine Kuh aus den USA.

Beim Stöbern im Internet entdeckte ich kürzlich ein E-Book1Michael Ullrich: Kühe für Deutschland. Hilfe von Heifer für Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg. München 2018. über die Hilfsorganisation Heifer, in dem sich tatsächlich ein kurzes Kapitel mit meinen Großeltern und der Kuh beschäftigt.

Was ist Heifer? Es ist das englische Wort für Färse, also eine Kuh, die noch nicht gekalbt hat. Und diesen Namen gab sich auch die US-amerikanische Hilfsorganisation Heifer International, die seit 1944 notleidende Menschen mit Kühen unterstützte. Dabei galt die Abmachung zwischen Heifer und den Empfängern der Kuh, dass das erste Kalb des Tiers an eine weitere notleidende Familie weitergegeben werden solle.

Das E-Book „Kühe für Deutschland“ findet sich u.a. im Google Play Store

In dem erwähnten E-Book wird nun berichtet, dass auch „Familie Gustav Bubritzki in Bremen“ eine Kuh von Heifer zugeteilt bekam. Dem Bericht zufolge kümmerte sich insbesondere meine Großmutter „um Lotte, wie die Heifer-Kuh genannt wurde“. Sie radelte jeden drei Kilometer zu einer Weide, auf der die Kuh stand, um das Tier zu melken. Dann ging es mit der schweren Milchkanne wieder zurück nach Hause.

Der Autor des Buches zitiert meinen Onkel Hans Bubritzki, der ihm berichtet hatte, dass die Familie damals „mehr oder weniger von der Kuh“ gelebt hatte. Sie habe viel Milch gegeben. „Die Magermilch wurde an die Schweine verfüttert, während die Sahne und die Butter von uns selbst verbraucht wurden.“

Um die Milch verarbeiten zu können, hatten meine Großeltern eigenes einen Separator angeschafft, also ein Gerät zum Trennen von Magermilch und Rahm. Einen Teil der so hergestellten Milchprodukte verkauften meine Großeltern an die Nachbarn.

Wie von der Organisation Heifer verlangt, wurde das erste Kalb von Lotte „an andere Flüchtlingsbauern“ verschenkt. „Lotte hat dann jedes Jahr wieder gekalbt, aber diese Kälber wurden alle verkauft“, wird mein Onkel zitiert. „Uns hat die Aktion von Heifer sehr, sehr geholfen in dieser schweren Zeit.“


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