Geschichte von Oberellen, bis die Steins auftauchten

Die Häuser von Oberellen drängen sich zwischen die grünen Hügel des Eltetals wie eine Herde schutzsuchender Tiere. Steht man auf einer der Anhöhen oberhalb des Ortes, blickt man auf ihre Dächer, über die der Kirchturm ragt. Während die Sonne im Westen hinter den Hügeln verschwindet, steigt aus den Schornsteinen der Rauch empor. Das Wasser des schmalen, flachen Baches Elte fließt schnell von Osten nach Westen durch das Dorf, knickt dann nach Norden ab, um einige Kilometer weiter in Lauchröden in die Werra zu münden. Der Ort sei „zwischen guten Fruchtfeldern und schönen Buchen- und Eichenwaldungen […] freundlich gelegen“, heißt es in einer historischen Beschreibung von 1853. Die Einwohner hätten das Dorf durch „Ackerbau, Viehzucht und Kleingewerbe“ wohlhabend erhalten und galten „wohl grundlos als eigennützig“, heißt es weiter.1Brückner, Georg: Landeskunde des Herzogthums Meiningen. Band 2. Meiningen 1853. S. 66.

Im Ortskern von Oberellen steht eine alte Kirche, in deren Fassade ein Stein die Jahreszahl 1564 trägt. Doch der Kirchenstandort ist deutlich älter. Mehrere mittelalterliche Urkunden erwähnen den Ort als Alinde, Elende, Elln, Elnde oder Elinde. Nicht immer sind die überlieferten Informationen eindeutig, manches erscheint sogar widersprüchlich. Der Versuch einer Chronologie der Historie Oberellens.

Blick vom Nesselberg auf Oberellen mit Schloss und Kirche

1012 – Heinrich II. (973/978-1024) regierte damals als König über das sogennannte Ostfrankenreich, zu dem auch das heutige Thüringen gehörte. Die Provinzen des Reiches war in sogenannte Gaue aufgeteilt. Der Westergau umfasste das westliche Thüringen und das nordöstliche Hessen. Dieser Gau war wiederum unterteilt in fünf Untergaue, neben dem Ringgau und dem Gerstengau gehörte dazu der Lupnitzgau (auch Lupenzgau oder Lupencegau).2 Landau, Georg: Die Territorien in Bezug auf ihre Bildung und ihre Entwicklung. Hamburg 1854. S.205. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11749997?page=216,217 In einer Urkunde, die ungefähr auf das Jahr 1012 (gelegentlich auch 1014) datiert ist, wird der Grenzverlauf des Lupnitzgaus beschrieben. Aufgezählt werden Grenzpunkte, die das Gebiet einfassen. In dieser Aufzählung heißt es (Hervorhebungen von mir):

„inde ad wartbergen [Wartburg] in fontem. inde ad zugenturnen. inde ad madungen [Madelungen]. inde ad gerwinessteinen [Göringen]. inde ad alwiges sol [Ober- und Untersuhl]. inde ad suarzbach. inde ad âlinde. et alinde inferius ad merrith. inde ad liggenhoûg [Lindigshof]. inde ad drînhougen. inde ad rotensolen [Kupfersuhl]. inde ad gotdedah. inde ad ahorne. inde ad kubach [Kieselbach]. et de kubach infra in werraha. et de werra inferius in predictum truckenebach.“3zitiert nach: Dronke, Ernst Friedrich Johann: Codex diplomaticus Fuldensis. Band 1. Kassel 1850. S.345. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10006406?page=351. Entzifferung der Grenznamen nach: Wersebe, August von. Über die Vertheilung Thüringens zwischen den alten Sachsen und Franken. Band 2. S.141. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11749321?page=66,67

Dass es sich bei Âlinde und Alinde inferius um Ober- und Unterellen handelt, wird gelegentlich vermutet. So werden im „Spruner-Menke Hand-Atlas für die Geschichte des Mittelalters und der neueren Zeit“ von 1837 beide Orte auf der Karte der mittelalterlichen Gaue abgebildet – siehe Ausschnitt unten.4Spruner, Karl von und Menke, Theodor: Dr. Karl von Spruner’s Historisch-geographischer Hand-Atlas. Gotha 1837. No.34. Abrufbar unter urn:nbn:de:gbv:9-g-254415. Vermutlich bezieht sich der Atlas auf die oben zitierte Grenzbeschreibung aus dem Jahr 1012. In der Literatur gilt es jedoch als „zweifelhaft“, ob die beiden Orte damals wirklich existierten.5Regel, Fritz: Die Entwickelung der Ortschaften im Thüringerwald (nordwestliches und zentrales Gebiet). Gotha 1884. S.62. Abrufbar unter: https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/88944/68# Denkbar sei auch, dass mit Âlinde der Fluss Elte gemeint ist und die Formulierung Alinde inferius soviel bedeutet wie „die Elte abwärts“.6Böttger, Heinrich: Diöcesan- und Gau-Grenzen Norddeutschlands zwischen Oder, Main, jenseit des Rheins, der Nord- und Ostsee, von Ort zu Ort schreitend festgestellt: nebst einer Gau- und einer dieselbe begründenden Diöcesankarte. Band 4. Halle 1876. S.400. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11324240?page=400,401

Ausschnitt aus Dr. Karl von Spruner's Historisch-geographischer Hand-Atlas. Gotha 1837. No.34

1075 – In diesem Jahr wird der Ort Oberellen in der Beschreibung eines Kriegszugs von Kaiser Heinrich IV. (1050-1106) genannt, was als erste offizielle Erwähnung gewertet wird. Von Berka (Werra) führte damals eine Heer- und Handelsstraße nach Eisenach, die sogenannten „Kurzen Hessen“, die auch durch Oberellen verlief. Auf dieser Straße marschierte Heinrich IV. im Jahr 1075 mit seinen Truppen von „Bredingen“ nach „Elenen“. Hier rastete er und zog dann weiter nach „Beringe“, wo er die Sachsen schlug. Mit dem Ort Elenen ist Oberellen gemeint.7Pertz, Georgius Heinricus (Hrsg.): Monumenta Germaniae Historica: inde ab anno Christi quingentesimo usque ad annum millesimum et quingentesimum. 5. Stuttgart und Hannover 1844. S. 226. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10798757?page=242,243

1121 Anfang des 12. Jahrhunderts gehörte Oberellen dem Ritter Christian von Goldbach. Im Jahr 1121 schenkte von Goldbach gemeinsam mit seiner Frau Berchtrada das Dorf „Elnde“ mit einer bereits bestehenden Kapelle dem Kloster Reinhardsbrunn. Diese Schenkung beinhaltete auch „Grenzmarken, Wälder, Felder, Wiesen, Weiden, Gewässer, Wasserläufe, kultivierte und nicht kultivierte Flächen, Wege und Pfade, Erträge und Einnahmen“. 8Schannat, Johann Friedrich: Ioannis Friderici Schannat Vindemiae Literariae. 1: Accedit Conspectus Trium Vetustissimorum Codicum, Ex Illis Quos In Ipso Martyrii Campo, Ubi S. Bonifacius … Occubuit, Manus Fidelium Recollegerunt, Ac In Sacrarium Fuldense Deportarunt. Fulda 1723. S.115. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11056061?page=131; Ebenso: Otto, Heinrich Friedrich: Thuringia sacra sive historia monasteriorum, quae olim in Thuringia floruerunt. Frankfurt 1737. S. 79. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11054423?page=95; Das Kloster Reinhardsbrunn lag rund 40 Kilometer südöstlich von Oberellen und unterstand direkt dem Papst.9Galletti, Johann Georg August: Geschichte und Beschreibung des Herzogthums Gotha. Band 3. Gotha 1780. S.205f. Auf die Bitte des Reinhardsbrunner Abtes Ernst bestätigte Erzbischof Adelbert von Mainz die Schenkung in einer Urkunde, die auf das gleiche Jahr datiert ist.10Johann Heinrich Möller: Urkundliche Geschichte des Klosters Reinhardsbrunn. Gotha 1843. S. 25. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10030250?page=37 Allerdings wurde bereits im 19. Jahrhundert vermutet, dass es sich bei der Schenkungsurkunde um eine jüngere Abschrift handelt, die auf das Jahr 1121 zurückdatiert wurde.11Naudé, Albert: Die Fälschung der ältesten Reinhardsbrunner Urkunden. Berlin 1883. S. 80ff. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11620275?page=86,87 Die Urkunde könnte in den 1130er-Jahren entstanden sein, wobei sich der Schreiber auf ältere Originalurkunden aus dem Klosterarchiv stützte. Vermutlich wurden diese und weitere rückdatierte Abschriften angefertigt, weil das Kloster Reinhardsbrunn seine erhaltenen Schenkungen mit Beweisurkunden absichern wollte.12Heinemeyer, Walter: Die Reinhardsbrunner Fälschungen. In: „Aus Liebe, zur Sicherheit und zur Ehre des Kloster“. Walter Heinemeyer. Urkundenfälschungen und frühe Geschichte hessischer und thüringischer Klöster. Hrsg. v. Hans-Peter Lachmann. Marburg 2012. S.337-420. S.373. Zuvor hatten in Reinhardsbrunn wohl keine rechtsgültigen Dokumente dazu vorgelegen. Als sachliche Fälschung gilt die Abschrift nicht.13Wittmann, Helge: Im Schatten der Landgrafen. Studien zur adeligen Herrschaftsbildung im hochmittelalterlichen Thüringen. Köln, Weimar Wien 2008. Zugl. Jena. Univ., Diss., 2004. S. 388.

1137 – Noch einmal wird Besitz verschenkt. In einer Urkunde aus dem Jahr 1137 (oder 113814Wittmann, Helge: Im Schatten der Landgrafen. Studien zur adeligen Herrschaftsbildung im hochmittelalterlichen Thüringen. Köln, Weimar Wien 2008. Zugl. Jena. Univ., Diss., 2004. S. 348.) heißt es, dass die bereits erwähnte Berchtrada, Witwe des inzwischen verstorbenen Christian von Goldbach, den Ort „Elendi“ an das Kloster Fulda überträgt.15Schannat, Johann Friedrich: Corpus Traditionum Fuldensium: Ordine Chronologico Digestum, Complectens Omnes Et Singulas Imperatorum, Regum … In Ecclesiam Fuldensem Collatas, Ab Anno Fundationis Suae DCCXLIV Ad Finem Usque Saeculi XIII. Leipzig 1724. S. 264f. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10939533?page=276; Dronke, Ernst Friedrich Johann (Hrsg.): Codex diplomaticus Fuldensis. Band 1. Kassel 1850. S. 388f. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10006406?page=394; vgl. auch: Rein, Wilhelm: Thuringia sacra: Urkundenbuch, Geschichte und Beschreibung der thüringischen Klöster. Band 1. S. 115, Fußnote. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10027069?page=127. Demnach hatten Berchtrada und Christian von Goldbach den Ort gekauft und später an ihre Tochter und deren Ehemann Wigger von Wartburg übergeben mit der Maßgabe, dass der Ort nach dem Tode Christians zu dessen Seelenheil an das Kloster Fulda fallen solle.16Dobenecker, Otto: Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae Band 1. Jena 1896. S.283. Abrufbar hier. Zur inhaltlichen Erläuterung siehe: Wittmann, Helge: Im Schatten der Landgrafen. Studien zur adeligen Herrschaftsbildung im hochmittelalterlichen Thüringen. Köln, Weimar Wien 2008. Zugl. Jena. Univ., Diss., 2004. S. 387. In der Literatur wurde zunächst vermutet, dass es sich bei „Elendi“ um einen Besitz in Oberellen handelte, den sich Berchtradas Ehemann Christian als sogenannten Bifang – also ein Stück abgegrenztes Land – gesichert hatte, während der Rest des Ortes bereits an das Kloster Reinhardsbrunn übertragen war.17Brückner, Georg: Landeskunde des Herzogthums Meiningen. Band 2. Meiningen 1853. S. 67, Fußnote; Regel, Fritz: Die Entwickelung der Ortschaften im Thüringerwald (nordwestliches und zentrales Gebiet). Gotha 1884. S. 62. Abrufbar unter https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/88944/68 Demnach hätte Oberellen zu jener Zeit dem Kloster Reinhardsbrunn, in Teilen aber auch dem Kloster Fulda gehört. Jüngere Untersuchungen kommen jedoch zum dem Schluss, dass Wigger von Wartburg und seine Ehefrau – die Tochter von Berchtrada und Christian von Goldbach – bis 1138 vollständig über einen Ort namens „Elendi“ verfügten. Das dürfte aber nicht Oberellen gewesen sein, sondern das benachbarte Unterellen. Somit hätten die Klöster Reinhardsbrunn und Fulda umfangreichen Besitz in direkter Nachbarschaft besessen. Eine Konkurrenzsituation, die auch erklären würde, warum im Kloster Reinhardsbrunn in den 1130-Jahren nachträglich die oben erwähnte Beweisurkunde über den Besitz von Oberellen angefertigt wurde.18Wittmann, Helge: Im Schatten der Landgrafen. Studien zur adeligen Herrschaftsbildung im hochmittelalterlichen Thüringen. Köln, Weimar Wien 2008. Zugl. Jena. Univ., Diss., 2004. S. 388 ff.

Stark beschädigter Schmuck über dem Eingang der Obereller Kirche

Unstrittig ist, dass das Kloster Reinhardsbrunn den Ort Oberellen zu jener Zeit besaß und das Geschenk Christian von Goldbachs den Grundstein für ein Reinhardsbrunner Priorat legte.19Wittmann, Helge: Im Schatten der Landgrafen. Studien zur adeligen Herrschaftsbildung im hochmittelalterlichen Thüringen. Köln, Weimar Wien 2008. Zugl. Jena. Univ., Diss., 2004. S. 387 f. Die ausdrücklich erwähnte Kapelle im Ort wurde in jener Zeit ausgebaut wurde. Damals entstand ein halbkreisförmiger Schmuck über dem Portal. Dieses romanische Tympanon ist heute stark beschädigt, zeigt Jesus Christus auf einem Thron sitzend. Neben ihm verneigen sich vermutlich zwei Heilige, von deren Darstellung jedoch nur noch noch die Torsos und eine Glorie zu erkennen sind. In einer Beschreibung der Obereller Kirche von 1909 wird vermutet, dass es sich um die heilige Maria und Johannes den Täufer handelt.20Lehfeldt, Paul und Voss, Georg: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens. Heft XXXV. Herzogthum Sachsen-Meiningen. Kreis Meiningen. Amtsgerichtsbezirk Salzungen. Jena 1909. 1. Reprintauflage 2013. S. 98

1215 In einer Bulle bestätigte Papst Innocenz III. (1161-1216) im Jahr 1215 den Güterbesitz des Klosters Reinhardsbrunn. In der Urkunde wird neben anderen Orten auch „Elede“ genannt.21Naudé, Albert: Die Fälschung der ältesten Reinhardsbrunner Urkunden. Berlin 1883. S. 128. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb11620275?page=136,137

Kirche von Oberellen

1279 – Nachdem Oberellen in den Besitz des Klosters Reinhardsbrunn gekommen war, erhielt die Kirche am Ort weitere Stiftungen und Schenkungen, sodass dort ein Probst eingesetzt wurde. Im Jahr 1279 wird urkundlich festgehalten, dass der Ritter Hermann von Driffurt seine Güter in „Herzelswinde“ an die Kirche und ihren Probst Marquartum zu Elnde verkaufte. 22Heim, Johann Ludwig: Hennebergische Chronica: Der uralten löblichen Grafen und Fürsten Zu Henneberg, Genealogia, Stamm-Baum und Historia, Ihrer Ankunfft, Lob und denckwürdigen Thaten, Geschichten und Sachen wahre und gründliche Beschreibung, Mit sonderm Fleiß Aus alten Brieffen, Urkunden der Clöster und Verzeichnissen, Monumenten und bewährten Historicis zusammen getragen, Und in fünff Bücher ordentlich verfasset. Band 2. Meiningen 1767. S. 274. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10003360?page=302,303

1292 – Zwei Brüder, Otto und Gottfried von Hasenheritschen schenkten der Kirche und deren Probst in Elnde den Wald Schadebach.23Heim, Johann Ludwig: Hennebergische Chronica: Der uralten löblichen Grafen und Fürsten Zu Henneberg, Genealogia, Stamm-Baum und Historia, Ihrer Ankunfft, Lob und denckwürdigen Thaten, Geschichten und Sachen wahre und gründliche Beschreibung, Mit sonderm Fleiß Aus alten Brieffen, Urkunden der Clöster und Verzeichnissen, Monumenten und bewährten Historicis zusammen getragen, Und in fünff Bücher ordentlich verfasset. Band 2. Meiningen 1767. S. 275. https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10003360?page=302,303

1317 – Der Besitz der Kirche in Oberellen wächst, als die Witwe Gutta von Mila ihr Dorf Flensingen im Jahr 1317 an Probst Heinrich von Elende und seine Mitbrüder verkaufte.24Heim, Johann Ludwig: Hennebergische Chronica: Der uralten löblichen Grafen und Fürsten Zu Henneberg, Genealogia, Stamm-Baum und Historia, Ihrer Ankunfft, Lob und denckwürdigen Thaten, Geschichten und Sachen wahre und gründliche Beschreibung, Mit sonderm Fleiß Aus alten Brieffen, Urkunden der Clöster und Verzeichnissen, Monumenten und bewährten Historicis zusammen getragen, Und in fünff Bücher ordentlich verfasset. Band 2. Meiningen 1767. S. 275. https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10003360?page=302,303

1376 – Der Probst von Elende erhält von Hans von Nesselriden und Giseler von Besa eine Fischweide an der Werra bei Goningen.25Heim, Johann Ludwig: Hennebergische Chronica: Der uralten löblichen Grafen und Fürsten Zu Henneberg, Genealogia, Stamm-Baum und Historia, Ihrer Ankunfft, Lob und denckwürdigen Thaten, Geschichten und Sachen wahre und gründliche Beschreibung, Mit sonderm Fleiß Aus alten Brieffen, Urkunden der Clöster und Verzeichnissen, Monumenten und bewährten Historicis zusammen getragen, Und in fünff Bücher ordentlich verfasset. Band 2. Meiningen 1767. S. 276. Abruf unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10003360?page=304,305

1453 – Eine Urkunde berichtet von einem Streit zwischen den Einwohnern von Oberellen und dem Kloster Reinhardsbrunn über das Brauen und Ausschenken von Bier. Im Jahr 1453 schlichten auf Befehl des Herzogs von Sachsen die Amtmänner von Creuzburg, Brandenburg und Eisenach, sodass die Bewohner von Oberellen fortan selbst brauen und auch fremdes Bier ausschenken dürfen. Dafür wird aber eine Abgabe fällig, wie es in der Urkunde heißt.26Möller, Johann Heinrich: Urkundliche Geschichte des Klosters Reinhardsbrunn. Gotha 1843. S. 180f. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10030250?page=192

1525 – Im Laufe der Zeit wuchs die Unzufriedenheit der einfachen Menschen über ihre Abhängigkeit von Adel und Kirche, denen sie Abgaben für überlassenes Ackerland zahlen und zusätzlich Arbeitsdienste leisten mussten. Schon im 13. und 14. Jahrhundert war es daher immer wieder zu Aufständen von Bauern in der Schweiz, in Flandern und England, im 15. Jahrhundert auch in Böhmen und in Süddeutschland gekommen. Die Welle der Proteste gegen Adel und Kirche erreichte Thüringen in den 1520er Jahren. Hier war nicht nur die Last der Abgaben kontinuierlich gestiegen, auch die Höfe der Bauern waren immer kleiner geworden. Schuld war die sogenannte Realteilung, also das gleichmäßige Zerstückeln von Besitz, um alle Erben eines Verstorbenen zu berücksichtigen. Viele Höfe mit sehr wenig Land ließen sich dadurch nicht mehr wirtschaftlich betreiben, die Menschen lebten oft in Armut. Gleichzeitig erklärten Reformatoren wie Martin Luther den einfachen Leuten, dass sie die selben Rechte wie Adel und Kirchenleute besäßen und niemandem Untertan seien. In Thüringen gab es daher ab 1521 erste Angriffe auf Geistliche. Im April 1525 begann im Werratal, rund 50 Kilometer südlich von Oberellen, der Aufstand der thüringischen Bauern, dem sich mehr als 10.000 Mann anschlossen, wohl auch aus Oberellen. Sie stürmten unter anderem Kirchenbesitz, darunter kurz nach Ostern 1525 auch das Kloster Reinhardsbrunn. Das Kloster wurde geplündert und die Einrichtung zerstört.27Möller, Johann Heinrich: Urkundliche Geschichte des Klosters Reinhardsbrunn. Gotha 1843. S. 210ff. Abrufbar unter https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb10030250?page=222 Die Mönche flohen. Der Bauernaufstand wurde nach wenigen Wochen niedergeschlagen, Herzog Johann der Beständige von Sachsen verhängte Bußgelder und Schadensersatz. Oberellen musste 200 Gulden zahlen. Der bisherige Klosterbesitz fiel ebenfalls an den Herzog, ein Propst blieb jedoch in Oberellen zurück.28Hanstein, Carl Philip Emil von: Urkundliche Geschichte des Geschlechts der von Hanstein im Eichsfeld in Preußen (Provinz Sachsen) nebst Urkundenbuch und Geschlechts-Tafeln. Erster Theil. Kassel 1856. S.209 

Jahreszahl 1564 an der Fassade der Obereller Kirche

1543 – Seine letzte Amtshandlung nahm der Propst am 6. September 1543 vor, als Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen, genannt „der Gr0ßmütige“, den Ort Oberellen für 5000 Gulden an den Hauptmann Curt von Hanstein verkaufte. Der Propst stimmte dem Verkauf vor Zeugen zu.29Hanstein, Carl Philip Emil von: Urkundliche Geschichte des Geschlechts der von Hanstein im Eichsfeld in Preußen (Provinz Sachsen) nebst Urkundenbuch und Geschlechts-Tafeln. Erster Theil. Kassel 1856. S.210 Fortan war Oberellen über Jahrhunderte im Besitz der Familie von Hanstein. Im Kaufbrief von 1543 werden bereits zwei Mühlen erwähnt – zum einen die sogenannte Obermühle, zum anderen die Untermühle. Beide Mühlen sollten später eine Rolle in der Geschichte der Familie Stein spielen, doch zum Zeitpunkt des Verkaufs von Oberellen waren hier noch keine Steins ansässig.

Verwitterte Grabsteine an der Außenmauer der Obereller Kirche

1579 – Im Jahr 1579 wird Curtt Herwigk als Erbzins-Pflichtiger der „Ober Mühlen“ geführt.30Copiar von Verträgen und Testamenten von Angehörigen der Familie von Hanstein, Landesarchiv Sachsen-Anhalt (LASA), MD, E 75 A II a Nr.1., S. 124; vgl. auch Vertrag zwischen den Gebrüdern Lippold von Hansteins seeligen Söhnen von wegen ihrer Erbteilung. (Abschr. d. 20. Jahrh.), LASA, MD, E 75 A II b Nr.2., S. 115. Im ältesten erhaltenen Kirchenbuch Oberellens aus dem gleichen Jahr wird in der Liste der Gottesdienst-Teilnehmer Curtts Ehefrau erwähnt: „Elisabetha Herwig Obermüllers uxor“.31Kirchenbuch Oberellen 1579-1623, Landeskirchenarchiv Eisenach (LKAE), KBF, K 1/21-1, S. 81 Auch 1591 wird die Obermühle von den Herwigs betrieben, der Pfarrer notiert im Kirchenbuch: „Gertruda Herwigen Obermöller f[ili]a.“32Kirchenbuch Oberellen 1579-1623, LKAE, KBF, K 1/21-1, S. 172

1594 – Ab dem Jahr 1594 lässt Lippold von Hanstein ein Schloss in Oberellen errichten, das Georg Voss als „Bau von rechteckiger Grundform mit steinernem Erdgeschoss und einem Obergeschoss aus kunstlosem Fachwerk“ beschreibt.33Lehfeldt, Paul und Voss, Georg: Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens. Heft XXXV. Herzogthum Sachsen-Meiningen. Kreis Meiningen. Amtsgerichtsbezirk Salzungen. Jena 1909. 1. Reprintauflage 2013. S. 100 Es ist in dieser Form bis heute erhalten, während später hinzugefügte Gebäude und Stallungen, die Plänen34Rittermannlehngut Oberellen Bd.1, Familie von Hanstein, LASA, E 75 C IV Nr. 5 zufolge den Innenhof umschlossen, nicht mehr existieren.

Kirche und Schloss zu Oberellen

1597 – Während das Schloss in Oberellen gebaut wird, wechselt der Besitzer der Obermühle. Im Januar 1597 wird erstmals ein Müller Glaser im Kirchenbuch genannt – in wenig schmeichelhaftem Zusammenhang: „Elisabeth Kiesseln, leugnet das sie mit dem Ob=möller Clasen [Glaser] Hurerey und Un=Zucht treibe, er hab Ihr auch keine Hure gekaufft“ 35Kirchenbuch Oberellen 1579-1623, LKAE, KBF, K 1/21-1, S. 229. Ende des Jahres erwähnt der Pfarrer noch einmal den Müller Glaser: „25 Decembris Anno 1597. Heinrich Glasener Obermöller“36Kirchenbuch Oberellen 1579-1623, LKAE, KBF, K 1/21-1, S. 239.

1599 – Im Jahr 1599 deuten Einträge im Kirchenbuch auf einen erneuten Wechsel in der Mühle hin: „Hans Glaser alter Obermöller“ und „Dorothea Gleserin, alt Obermöllerin“37Kirchenbuch Oberellen 1579-1623, LKAE, KBF, K 1/21-1, S. 253 heißt es da. Zum Jahreswechsel 1600 wird dann ein neuer Müller erwähnt: „Valten Thren Obermöller“38Kirchenbuch Oberellen 1579-1623, LKAE, KBF, K 1/21-1, S. 259. In den darauf folgenden Jahren 1601 und 1602 ist auch dessen Ehefrau unter den Gottesdienst-Besuchern: „Margretha Thren Obermöllern“. Im Jahr 1606 führt das Kirchenbuch wiederum eine Familie Glaser in der Obermühle auf: „18. Aprilis am Charfreitag Baptisaui Elia Salomons Filia quam suscepit Ottilia Glaserin Obermöllern ej. nomen refert.“39Kirchenbuch Oberellen 1579-1623, LKAE, KBF, K 1/21-1, S. 39.

Zwei Jahre später taucht in den Kirchenbüchern erstmals der Name Stein im Zusammenhang mit der Obermühle auf.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert